Alter zum Zeitpunkt des Briefes: 
2.5 Jahre

Wie es der Zufall, oder der Postbote so wollte, landete an einem der ersten sonnigen Apriltage ein Brief in unserem Briefkasten. Allerdings war dieser nicht für uns, sondern für unsere Nachbarin, zwei Häuser weiter. Unsere Mission als Postboten aufnehmend, sind Karolina (2,5 Jahre) und ich (ihre Mama) also zu den Nachbarn marschiert, um den Brief seinem eigentlichen Empfänger zu übergeben.

Da wir noch nicht sehr lange in dieser Gegend wohnen, kennen wir unsere Nachbarn noch nicht so gut und hatten diese in der Herbst- und Winterzeit sowieso wenig gesehen. Aufgeschlossen wie Karolina ist, hat sie allerdings sofort das Herz unserer Nachbarin erobert, weil sie zu ihr auf den Arm und schmusen wollte. Sogar ein Küsschen hat sie ohne Aufforderung herausgerückt. Vom Besuch angezogen, liesz sich bald auch Lukas, der 7-jährige Sohn der Nachbarn, blicken. Seine erste Frage war: „Was hat´n die am Ohr?!“ Hörgeräte, klärte ihn sein Vater auf, der gerade bei der Gartenarbeit war. Die trägt Karolina nämlich. Eigentlich auch eine Brille, aber die lag zu Hause, weil Karolina sie öfter mal abnimmt und ankaut. Lukas war mit dieser Antwort zufrieden. Seinen Pfeil und Bogen, mit denen er sich gerade vergnügt hatte, beiseite legend, fing er an, Karolina mit irgendwelchen Tüchern und Lappen zu beschäftigen, während ich mich mit seinen Eltern im Garten unterhalten konnte. „Die nimmt ja alles in den Mund. Und warum macht die denn so „haha“ ?“ fragte Lukas. Karolina erzählt so, sie kann noch nicht reden. „Kann die laufen?“ wollte der Steppke dann wissen. Ich erklärte ihm, dass sie an der Hand laufen könne. Im Bärengang laufend frage Lukas dann wieder: „Kann die auch so?“ Nein, das kann Karolina nicht, auch nicht krabbeln, nur robben. Dem Jungen fiel überhaupt nicht auf, dass Karolina eine Behinderung hat, für ihn war sie einfach nur ein Kind, das jünger ist als er. Das brachte ihn jedoch auf die Idee, Karolina auf seinem Trettraktor mitzunehmen. Auf den Vorschlag seiner Mutter hin, nahm er Karolina dann auf den Schoß, nicht ohne dass wir Frauen schützend nebenherliefen, und trat munter in die Pedale. Seine kleine Beifahrerin fand diese Aktion nicht übel, klammerte sich am Lenkrad fest und wusste vermutlich gar nicht recht was geschah, aber es gefiel ihr trotzdem. Auch wenn sie zusehends rutschte und fast im Spagat saß. Lukas war großzügig und wollte Karolina selbst Traktor fahren lassen. Er meinte es ja wirklich gut mit ihr, aber ich erklärte ihm, dass sie das nicht könnte und mit den Füßen überhaupt nicht an die Pedale reichte, schob sie aber unter größtem Gejuchze ihrerseits auf dem Traktor die Straße hinab. Plötzlich erschien Lukas trotz seiner 7 Jahre auf seinem alten Bobbycar samt Anhänger. „Kann die mitfahren?“. Das konnte sie! Karolina wurde rückwärts in den Hänger gesetzt und Lukas fuhr mit ihr auf seinem Bobbycar kniend die Straße rauf und runter. Wir Mütter mussten beide herzlich lachen, weil es ein herrliches Bild war, wie die beiden sich so toll miteinander beschäftigten und der Große die Kleine in sein Spiel mit einband. Karolina saß stocksteif wie eine Puppe im Hänger und verlachte sich, wenn ihr Chauffeur um die Kurve fuhr. Denn die Fliehkraft zu spüren ist für sie stets ein Highlight. Die Mutter von Lukas bot Karolina dann das zweite Bobbycar aus Lukas´ Besitz an und Karolina zeigte wild, dass sie darauf sitzen wollte. Zu Hause darf und will sie immer auf dem Staubsauger fahren, allerdings muss man da ja auch nichts selbst tun. Ihr ist es im Allgemeinen viel lieber, wenn sie nichts selbst tun muss. Auf dem Bobbycar sitzend ruckte sie dann mit dem Oberkörper vor und zurück. Eigentlich clever, diese Taktik, wenn man bedenkt, dass sie zumindest bei ihrem Schaukelpferd funktioniert. Da sprach Lukas sie erstmals direkt an, weil er bemerkte dass Karolina wohl nicht fahren konnte: „Ey Karolina, das geht so!“ meinte er, parkte neben ihr und lenkte wild mit dem Lenkrad, bevor er davon fuhr. Lukas bemerkte nicht, dass sie ihm nicht aufmerksam nachschaute, sondern nur mit den Daumen die Hupe betätigte. Doch nach kürzester Zeit war er wieder mit dem gleichen Wortlaut neben ihr: "Ey Karolina, das geht so - guck!" Demonstrativ mit beiden Beinen sich anschubsend fuhr Lukas davon, ohne von seiner kleinen Schülerin großartig beachtet zu werden. "Na ich kann sie ja auf meinem Hänger nach Hause fahren, dann komm ich zurück und fahre ihr ihr Bobbycar heim", schlug Lukas dann hilfsbereit vor, als er merkte dass Karolina noch immer nicht fuhr. Dazu kam es allerdings nicht, denn der kleine Mann hatte nach so viel Fahrerei plötzlich Hunger und wäre ohne diesen wohl auch nicht von der Straße weg zu kriegen gewesen. So traten Karolina, ihr Papa, der mittlerweile dazugekommen war, und ich, den Heimweg an. Allerdings nicht, ohne dass wir Mütter uns für die nächste Woche zum Kaffeetrinken verabredet hatten.

Es war ein herrliches Erlebnis für unsere Familie, bei dem schön zu sehen war, dass auch unterschiedliche Kinder, bzw. Menschen durchaus zueinander finden können, wenn sie wollen und gelassen werden.

Karolinas Mama Monika (April 2008)

Fotoalbum

Ausflug in die Küche
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Hippotherapien heißt es, aber eigentlich ist das doch Reiten.
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Da hat mich wohl ein Paparazzo erwischt.
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Highland Games
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Im Museum (Inveraray Jail)
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Raemoir House Hotel
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Lochnagar
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