Alter zum Zeitpunkt des Briefes: 
1.0 Jahre

Unser Sohn Philipp wurde im Mai 1998 spontan, aber drei Wochen zu früh geboren. Zunächst stand die Behandlung seiner wohl väterlich vererbten doppelseitigen ausgeprägten Gaumenspalte im Vordergrund. Die ersten zwei Wochen verbrachte Philipp daher im Krankenhaus, in der eine uneingeschränkt bedrückende Situation vorherrschte: Zunächst wollte man nicht die elterliche Gaumenspalten-Handling-Kompetenz anerkennen. Dann wurden wir mit über den Flur zugerufenen Genanalysen konfrontiert. Man hatte wohl einen Verdacht, dass zusätzlich zur Spalte noch weitere Auffälligkeiten vorhanden sein könnten, worüber man uns freilich trotz Nachfragen im Unklaren ließ. Binnen Tagen lag der genetische Befund vor und Cri-Du-Chat wurde auch diskutiert. Von der Stationsärztin bis zum Klinikchef Prof. Dr. Sowieso wurden wir jedoch glatt angelogen und alles abgewiegelt. Erst fünf Wochen nach der Geburt brachte die genetische Beratung endgültige Klarheit. Dort war völlig unbegreiflich, dass trotz der eindeutigen Befunde uns keine Diagnose in der Klinik eröffnet wurde. Leider gibt es auch Ende der 1990er Jahre noch völlig unangemessenen Umgang der Ärzte mit den Eltern bei der Diagnoseerläuterung.

Seit rund einem Jahr wuseln wir uns nun also durch Therapie- und Arztdickicht. Wir haben glücklicherweise sehr freundliche und kompetente Ansprechpartner - von der Kinderärztin bis zu den Physiotherapeuten. Alle 3-5 Wochen gehen wir zur Gaumenspaltenverlaufskontrolle in die Mainzer Uniklinik, in der wir optimal betreut werden. Die für Philipp und die Eltern sehr belastende erste Spalten-Operation wurde bereits erfolgreich abgeschlossen, die nächste erfolgt wohl noch im Jahr 1999. Ein Problem bleibt, dass wir keinen zentralen Ansprechpartner für die verschiedenen Problemfelder und Therapien haben und jeder davon ausgeht, dass der andere schon alles gemacht und erläutert hat.

Sehr belastend war in den ersten Monaten Philips dauerndes und fast nicht endenwollendes Schreien, sowie seine damit einhergehende Unruhe. Dies ist nun seit einigen Monaten deutlich besser, auch dank der Gabe homöopathischer Mittel und der freundlichen Beratung von Frau Fritz. Problematisch bleiben seine Ein- und Durchschlafprobleme, sein hartnäckiges Ablehnen jeder Löffelnahrung (daher alles noch mit Flasche), die schlechte Mundmotorik und die Restbestände der Unruhe der ersten Lebensmonate. Frühförderung und Physiotherapie werden demnächst durch Logopädie ergänzt. Auch Ergotherapie wird derzeit erwogen. Die Beurteilung einer eventuellen Fehlsichtigkeit ist noch nicht abgeschlossen, eine entsprechende augenorientierte spezielle Förderung hat jedoch bereits begonnen. Da immer wieder Therapiestunden ausfallen und es Philipp stets gut bei den Therapeutinnen gefällt, glauben wir, daß das Therapievolumen nicht zu groß ausfällt. Philips Verhalten hat sich auch schon deutlich verbessert. Seine Motorik und seine Mobilität sind recht positiv und er macht erste Ansätze zum Krabbeln. Er lacht immer häufiger und ist der Mittelpunkt der Familie.

Trotzdem bleibt die Akzeptanz der Diagnose eine schwere Aufgabe. Zwar ist eine gewisse innere Ruhe mittlerweile eingekehrt, aber der im Vergleich zu gesunden Kleinkindern zunehmend größer werdende Entwicklungsrückstand fordert immer wieder zur Auseinandersetzung auf. Sehr geholfen hat uns bei diesem Verarbeitungsprozeß die internationale Cri-Du-Chat Gemeinde per Internet und eMail und vor allem unser Förderverein (Jahrestreffen, Information, Elternbrief, Austausch mit anderen).

Philips Eltern Petra und Andreas (Herbst 1999)